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  • AutorenbildLisa Bichler

Ein Freund

Ich habe einen Freund. Nun, eigentlich einen guten Bekannten, von dem ich mal mehr wollte. Doch je besser ich ihn kennenlernte, wurde dieses mehr wollen zu einem immer weniger wollen. Ich hoffe, ihr versteht. Unabhängig davon, hat dieser Freund eine sehr spezielle ausgeprägte eigene Meinung und politische Einstellung. Von welcher er sich auch unter fast keinen Umständen abbringen lässt. Ich würde zwar gerne genauer darauf eingehen, um ihn euch, liebe Leser*innen besser vorstellen zu können, aber dafür bin ich einfach schon etwas zu sehr genervt davon. Nun, da ich schon seit längerer Zeit, feministisch geprägte Literatur lese und diese auch immer wieder gerne per Foto auf der Plattform Snapchat, über welche ich mit besagtem Freund Kontakt halte, teile, bin ich schon des Öfteren, ok bisher eigentlich nur zwei Mal mit ihm zu diesem Thema ins Gespräch gekommen. Das erste Mal, als wir dieses Thema anschnitten, war aufgrund eines Bildes von Margarete Stokowskis „Die letzten Tage des Patriarchats“. Dieses Bild hatte ich als klassischen „Massensnap“ an all meine Snapchat „Freunde“ versendet. Als Reaktion auf dieses Bild, erhielt ich ein „gibt es dann zum Patriarchismus auch ein Gegenstück, haha?“. Ich dachte mir nicht viel bei dieser Antwort, da es eine typische Antwort für besagten Freund war und reagierte darauf folgend: „Sicher, das Gegenstück zum Patriarchat ist das Matriarchat. Dieses ist aber ebenso wenig anzustreben wie das Patriarchat.“ Seine Antwort darauf lautete, dass es ja zu wirklich allem ein Wort gäbe. Zuerst verstand ich nicht ganz, was er mit dieser Aussage tatsächlich sagen wollte. Zuerst interpretierte ich es als thematisierung der deutschen Sprache. Sprich, dass er allgemein meinte, dass es in der deutschen Sprache zu wirklich allem ein Wort bzw. einen Begriff gäbe, wodurch man dann auch alles beschrieben werden kann. Daraufhin führte ich den Begriff „Gendern“ in unser Gespräch, als Beispiel dafür, dass die deutsche Sprache eben doch nicht alles Beschreiben kann, ein. Diese Fehleinschätzung lag höchstwahrscheinlich daran, dass ich gerade eben an einem Blogpost zu ebendiesem Deutsche-Sprache-Thema gearbeitet hatte und verstand daher leider erst zu spät, was er tatsächlich mit seinerAussage meinte. Nämlich, dass es zu wirklich allem eine weibliche Ausführung gäbe. Im Nachhinein ärgerte es mich äußerst, dass ich es erst nach meiner vorschnellen Antwort „klick“ gemacht und auch erst dann begriffen hatte, was er eigentlich damit meinte. Denn dazu hatte ich definitiv etwas zu sagen! Natürlich muss es zu Begriffen wie Patriarchat auch das Gegenstück Matriarchat geben. Schließlich leben wie in einer Welt, in der Männer als auch Frauen gleichermaßen existieren. Auch sollte in meinen Augen, egal wie anstrengend es ist, immer gegendert werden. Schließlich leben wir in einer Welt mit mehreren Geschlechtern! Und drittens, wie kann es sein, dass ein junger Mann von so hoher Bildung, so eine eingeschränkte Sicht haben kann? Obwohl nun gut, er meinte ja mal auch zu mir, er wäre froh ein Mann zu sein. Ist ja auch klar, wer würde schon freiwillig auf all die miteinkommenden Privilegien, eines weißen hetero Mannes, verzichten? Warum wunderte es mich denn eigentlich noch? Ich muss aber auch hinzufügen, dass ich diese Aussage angeregt hatte, indem ich meinte, dass er wirklich froh sein konnte ein Mann zu sein. Denn Frau zu sein ist in vielen Situationen einfach ziemlich anstrengend und schwer. Leider war dies aber noch nicht alles. Im weiteren Verlauf des Gespräches, brachte ich Stokowskis Ansichten zu der Verbindung zwischen Feminismus und Anarchismus auf, welche dieser Freund von mir erklärt haben wollte. Was ich dann auch tat. Zuerst wollte ich aber von ihm wissen, wie er Feminismus eigentlich interpretiert. Schließlich gibt es, wie in meinem ersten Blogpost beschrieben, leider keine wirklich klare Definition des Begriffs. Somit hatte ich ihn dazu aufgefordert, mir vorerst erklären, was für ihn Feminismus ist, mit dem Ziel ohne vorherige Beeinflussung seiner Ansichten meinerseits auf dieses Thema genauer eingehen zu können. Hier brachte er zwei unterschiedliche Dinge auf. Den coolen und den uncoolen Feminismus. Der coole Feminismus: das Anstreben von Gleichberechtigung. Der uncoole Feminismus: das aufzwingen von eigenen Meinungen durch Gesetze. Leider kann ich es nicht mehr ganz so genau wiedergeben, da es ja wie besagt über Snapchat stattfand und sich dort die Nachrichten nach spätesten 24 Stunden wieder selbst löschen. Meine Antwort darauf, war meine Ansicht und Definition zum Feminismus in Kurzfassung: Der Feminismus steht für mich, für das Endziel der völligen Gleichberechtigung aller. Natürlich hätte ich darauf noch viel genauer eingehen und den Weg dorthin beschreiben können, schließlich ist dieser fast ebenso wichtig. Jedoch war ich an diesem Abend nicht in der Stimmung dazu, so viel Zeit für jemanden aufzuwenden, welcher mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eh einfach nur mit einem Daumen hoch geantwortet hätte. Somit beließ ich es dabei und ergänzte es darum, dass dieser „uncoole“ Feminismus aber nötig sei, denn es kann sich nur etwas ändern, wenn man die diskriminierenden Gesetzte ändert. Somit ist der „uncoole“ Feminismus nötig, um das Ziel der Gleichberechtigung zu erreichen. Als Antwort darauf stellte er mir nur die Frage ob dadurch denn die Freiheit von irgendjemanden eingeschränkt werden würde. Meine Antwort, hierzu lautete: „ Ja. Wenn man Belästigung und Objektifizierung von Frauen als sein angeborenes Recht sieht, dann schränken die Ziele des Feminismus diese Freiheit ein.“ Zusätzlich hatte ich mir noch folgendes gedacht, aber nicht mehr angefügt: "Denn leider sehen immer noch viele Männer dies als ihr angeborenes Recht an." Doch nun kommt das eigentliche in dieser Diskussion, was nur wieder aufzeigte, wie sehr Männer dies als ihr Recht ansehen. Seine Antwort hierzu lautete nämlich: „Natürlich haben Männer nicht das Recht dazu, Frauen zu belästigen. Außer sie wollen es.“ Nun, ich werde gar nicht mehr viel hierzu sagen, denn ich denke dass diese Aussage für sich selbst spricht. Für mich war das Gespräch an diesem Punkt beendet.

Das nächste Gespräch, welches wir hierzu führten, wurde ähnlich begonnen. Ich sendete wieder einen Massensnap aus. Dieses Mal von Rebecca Solnits „Wenn Männer mir die Welt erklären“. Meine Intention? Hm, gute Frage, vielleicht aufzeigen wie ich mein Absolventenleben verbrachte? – Lesend im Garten. Seine Reaktion, auf das Bild, eine perfekte Ergänzung zum Buch. Hier das Wortwörtliche Zitat: „Du willst mich triggern hmm? (Lachemoji)“. Glücklicherweise ist mir hier das direkte Zitat unseres Chatverlaufs möglich, da die Konversation, keine 2 Stunden her ist. Wie auch während der ersten Konversation, kam die optimal „sassy“ Antwort erst nachdem ich die eigentliche, mich dumm aussehen lassende abgeschickt hatte. Somit lautete meine Antwort: „Nope, (doppelter Lachemoji) ist im Grunde nur eine Essaysammlung von Rebecca Solnit und der Titel entspricht dem Titel ihres bekanntesten Essays, welches wirklich sehr viel Wahrheit in sich trägt, die anderen sind so „meh“, bis auf das was ich gerade über die Öffnung der Ehe gelesen habe. Wirklich ausgezeichnet!“ Oh je, da hatte ich ja mal wieder eine Prima Antwort parat. Ich sollte in Zukunft echt etwas länger warten, bis sich das was ich eigentlich sagen möchte in meinem Kopf vollständig ausformuliert hat. Denn was ich mir in diesem Moment eigentlich dachte war: „Und hier haben wir es wieder. Ein perfektes Beispiel von männlicher Überheblichkeit. Wie wichtig der sich doch nimmt! Außerdem, warum sollte ich mit einem Bild von einem Buch über das sogenannte „Mansplaining“ von einem Mann erwarten, dass er mir die Welt erklärt? I mean like, what. the. fuck. Ich würde mal sagen, keine Worte mehr nötig, Gespräch beendet.

Leider ist dies, kein Einzelfall. Während meiner 19 Jahre, hatte ich dieses überhebliche Verhalten von Seiten junger Männer immer und immer wieder erlebt. Sie waren alle so sehr davon überzeugt aufgrund ihres Genitals, mehr Wert zu sein und legten dadurch auch ein entsprechendes Verhalten offen an den Tag. Als ich jünger war, hielt ich das für unglaublich cool und wollte auch unbedingt so frei und von mir selbst überzeugt sein. Ich wollte auch überall hingehen und alles werden können, ohne das Vorurteil, das schwächere Geschlecht zu sein, zu tragen. Ich wollte so sein wie sie. Ich wollte und will auch jetzt noch diese Unbeschwertheit erleben und an den Tag legen können, ohne jemand anderes werden zu müssen. Jedoch werde ich das nur, wenn wir es als Gesellschaft endlich schaffen alle Gleichwertig anzusehen. Ich bin eine starke, junge, queere Frau. All diese Eigenschaften, haben an und für sich nichts Schlechtes. Nur dass sie behaftet sind mit Vorurteilen und Unwissenheit. Und das gilt es zu ändern! Es ist an der Zeit, aufzuklären!


Simbach am Inn, 03.07.2020



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